Underground of Berlin – die neue Fussball Doku auf DAZN
Eine neue DAZN Doku über Fußball macht von sich reden. Seit dem 10. Dezember 2021 ist auf DAZN die neue Fußballdoku Underground of Berlin zu sehen. Und sie lohnt sich definitiv, wie der nachfolgende Artikel zeigt.
Aus dem Käfig ins Profigeschäft
Die mehrteilige Dokumentation über die Berliner Fußball Profis begeistert sowohl Sportfans wie Laien. Die DAZN Doku „Underground of Berlin“ handelt von einer Generation, die Hertha BSC Berlin hätte maßgeblich verändern können. Spieler, die keine andere Wahl hatten, als ins Gefängnis zu gehen, wenn das mit dem Profifußball nicht funktionieren sollte.
Berlin hat viele Touristenattraktionen. Nicht viele kannten jedoch den «Käfig» im Stadtteil Wedding. In einem Park an der Travemünderstrasse, in der Nähe des Flüsschens Panke steht der Fußballplatz, den wohl niemand wirklich als solchen bezeichnen würde. Hier hat Kevin-Prince Boateng das Spielen mit dem Fußball gelernt. Mittlerweile gibt es viele Stadtführer, die eine Wanderung zu dieser etwas spezielleren Touristenattraktionen empfehlen. Charaktere wie Kevin-Prince Boatengjero sind hier längst Legenden. Der Trend geht bereits seit einiger Zeit wieder in die andere Richtung, nachdem sich der Fußball lang vorgestellt hatte, dass er immer berechenbarer werden könnte. Die digitalisierte Erhebung von Daten rund um die Spieler sowie die strategischen Formationen machten Fußball immer mehr zum Schach. Gesucht werden heute jedoch wieder vermehrt Charaktere und Fähigkeiten, die nur bedingt erlernbar sind, weil sie von der Energie des Lebens und des Überlebens auf der Straße geprägt sind. Gesucht werden Fähigkeiten, die sich aus der Enge des Käfigs befreien und auf der großen Bühne spielen können.
Straßenfussballer mit Ecken und Kanten
Kevin-Prince Boateng, der ältere Bruder von Jérôme Boateng, hat genau diesen Schritt geschafft. Kevin-Prince erlernte das Kicken im Käfig in Berlin, bevor er als siebenjähriger von der Hertha BSC Berlin entdeckt wurde. Abgesehen von einer kurzen Auszeit bei den Reinickendorfer Füchsen blieb er der Hertha bis 2007 treu. Anschließend war Kevin-Prince für Vereine in allen großen europäische Ligen tätig. Darunter England (Tottenham), Italien (AC Mailand, Deutschland (Dortmund) sowie Spanien (Las Palmas). Auch international spielte Kevin-Prince mit. Für die Nationalmannschaft von Ghana bestritt der zwei Weltmeisterschaften. Nach einer Pause als ARD-Experte für die Europameisterschaft 2021 wechselte Kevin-Prince wieder zurück zu seinen Wurzeln und steht erneut bei der Hertha BSC unter Vertrag. Nicht für alle lief die Karriere so glanzvoll wie für Boateng. Die Serie «Underground of Berlin» widmet sich genau diesen Spielern, die während den Nullerjahren die Hertha BSC prägten oder hätten prägen können. Darunter befinden sich Namen wie Ashkan Dejagah, Änis Ben-Hatira oder Chinedu Ede
Geschichten aus dem Leben
Wie bereits erwähnt ist Kevin-Prince zur Hertha zurückgekehrt, wo er nur noch sporadisch auf dem Platz steht, um gerade für die jungen Spieler eine Führungsfigur zu sein.. In „Underground of Berlin“ verkörpert er die Rolle des Anführers und kommentiert die von Matthias Faidt und Marco Gundel geschaffene Story rund um Berlin und die Fußballer im Weddinger Käfig. Die beiden Autoren bleiben immer sehr nahe an der Wahrheit. Die Darsteller sind so faszinierend und ihre Geschichten so unglaublich, dass eine Ausschmückung der Geschehnisse auch gar nicht nötig ist.
Chinedu Ede und Nis Ben-Hatira stehen im Mittelpunkt der ersten drei Episoden. „Ich bin in einer sehr unsozialen Gegend von Akademikern aufgewachsen“, sagt Ede über sich selbst. Sein Vater ist ein Diplomingenieur, der 1971 aus Nigeria nach Deutschland kam, und seine Mutter ist Lehrerin. Chinedu wurde nachgesagt, in seiner Jugend „eine Schraube locker“ zu haben. In „Underground of Berlin“ stellt er sich nun als reifer, selbstbewusster junger Mann dar, der sein bisheriges Leben genau analysieren kann.
Auch der Weg von Änis Ben-Hatira, der 2017 seinen Vertrag bei Darmstadt 98 beenden musste, weil er an eine muslimische Organisation gespendet hat, die des Salafismus bezichtigt wird, war besonders reich an strittigen Themen. Vorerst vermeiden Faidt und Gundel das Thema Religion; die erste Staffel handelt von dem jungen Nis, der unter anderem „Maradöna“ genannt wurde, weil er die Fähigkeiten von Maradona mit einem tiefen Wissen über die größten Dönerbuden Berlins verband. In den Welten, aus denen Ede und Ben-Hatira kommen, sind Fußballer und Rapper zwei beliebte Lebenswünsche und Vorbilder. Obwohl das eine zum anderen nur bedingt passt, gibt es im Alltag viele Überschneidungen, wie in „Underground of Berlin“ zu sehen ist. Es ist nicht nötig, die Vision von Talentförderungswegen pädagogisch zu formatieren, aber Faidt und Gundel fallen mit ihrer straßentauglichen Ästhetik immer wieder in die Bildsprache des typischen Berliner Strassenimages.
Zu den zwei Hauptakteure gesellt sich im Verlauf der Staffel auch Patrick Ebert. Der aus Potsdam stammende Patrick Ebert bezeichnet Berlin oftmals als abgefuckt und gibt der ganzen Story einen spannenden Blickwinkel.
Herthas vergeudete Chance
Die Hertha äußerte sich bisher nur sehr vage zum Projekt. Denn die DAZN-Serie wurde ohne Einverständnis des Hauptstadtklubs gedreht und ausgestrahlt. Dass die Hertha nicht besonders erfreut über das Projekt ist, versteht sich von selbst. Denn die Doku zeigt eindrücklich, wie der Klub es in den Nullerjahren verpasst hat, gute Spieler aus der Straße ins eigene Team zu integrieren. Viele andere Dokumentationen von Fußballverein dienen mehr als Werbung. Bei Underground of Berlin ist dem definitiv nicht so. Die Macher der Serie kümmern sich nur am Rande um den Fußball und legen den Fokus auf die Charaktere der Berliner Straße und deren Weg weg vom Knast und hin zum Profi-Fußball. Im Gegensatz zu anderen Dokumentationen gibt es zudem sehr wenige Ausschnitte von effektiven Fußballspielen. Vielmehr setzt sie sich mit der Frage auseinander, wie Bildung, Fußball und ein erfolgreiches Leben in einer Welt möglich sind, in welcher auch der Knast eine durchaus sehr normale Option werden kann. Das «andere in den Knast gingen», erscheint da nicht sehr verwunderlich. Die Hauptcharaktere der am 10. Dezember 2021 erschienen Serie sind Kevin-Prince Boateng, Chinedu Ede und Nis Ben-Hatira
Chinedu Ede
Chinedu Ede wuchs in Berlin im Quartier Wedding auf. Auch er erlernte das Fußballspielen im berühmten Käfig im Park. Als Sohn eines nigerianischen Diplomingenieurs und einer deutschen Lehrerin begann er seine Karriere 1993 beim Berliner Fußballklub AK07. Über die Reinickendorfer Füchse kam auch Ede in die Jugendabteilung der Hertha BSC. Ab 2006 gehörte er dem Profi-Kader an. Die Zeit bei der Hertha war für Ede jedoch nur wenig erfolgreich. ER spielte zwar einige Bundesliga-Spiele und erzielte sogar ein Tor in der obersten deutschen Fußballliga gegen den VfL Bochum. Nach nur einer Saison wechselte er zum damaligen Absteiger MSV Duisburg in die 2. Bundesliga. Die Karriere von Ede ist ein ewiges Auf und Ab. So wechselte er unter anderem zum 1. FC Union Berlin, damals noch in der 2. Bundesliga, um später wieder in der 1. Bundesliga für den 1. FSV Mainz 05 zu kicken. Von den Mainzern wurde er aber in der darauffolgenden Winterpause bereits wieder ausgelehnt an den zyprischen Club Anorthosits Famagusta. Als er nach der Leihe zurück nach Deutschland kam, spielte Ede nur noch in der zweiten Mannschaft in der deutschen 3. Liga. Über den FC Twente in der Eredivisie und Bangkok United in Thailand führte seine Karriere ihn um die halbe Welt. Seine Karriere beendete der eigentlich sehr talentierte Ede 2019 beim Berliner Regionalligaverein VSG Altglienicke.
Änis Ben-Hatira
Wie Chinedu Ede wuchs auch Ben-Hatira in Wedding auf. Bereits mit vier Jahren schloss er sich dem Berliner Verein BSC Reinickendorf an. Die parallelen der drei Spieler verblüffen immer wieder. So schloss sich auch Ben-Hatira den Reinickendorfer Füchsen an und wechselte von da zur Juniorenabteilung der Hertha BSC. Als er später zur B-Jugend von Tennis Borussia Berlin wechselte, wurde sogar der große FC Bayern München auf den Deutsch-Tunesier aufmerksam. Ben-Hatira entschied sich jedoch für einen Wechsel in die Hansestadt und unterschrieb beim HSV. In seiner ersten Profisaison spielte Ben-Hatira jedoch lediglich drei Mal. Das Ben-Hatira nicht so leicht zu zügeln ist, merkten die Hannover jedoch relativ rasch. 2007 holte er sich im Spiel gegen den VfB Stuttgart für ein grobes Foul die Rote Karte, was ihm zusätzlich eine Spielsperre von 3 Spielen einbrachte. Später spielte er nur noch für die Regionalliga-Mannschaft des HSV. 2009 wechselte er schlussendlich zu MSV Duisburg, um mehr Spielpraxis zu erhalten. In der Zweiten Bundesliga erzielte Ben-Hatira in 13 Spielen 2 Tore. Ende 2009 wechselte Ben-Hatira zurück zum HSV und durfte sogar kurz in der UEFA Europa League gegen die Randers FC spielen. 2010 dann das gleiche Spiel. Erneut wurde Ben-Hatira zum MSV Duisburg in die 2. Bundesliga ausgeliehen. Über Stationen beim HSV, der Hertha BSC, Eintracht Frankfurt und SV Darmstadt 98 spielte er die darauffolgenden vier Jahre immer wieder auf Bundesliganiveau. 2017 wechselte er schlussendlich in die Türkei zu Gaziantepspor. Mit dem Verein stieg er jedoch in der ersten Saison in die zweite Liga ab und der Vertrag wurde aufgelöst. Nach einem Gastspiel beim tunesischen Rekordmeister Espérance Turnis war Ben-Hatira anschließend 8 Monate ohne Verein. Erst im Februar 2019 schloss er sich in Ungarn dem Erstligisten Honved Budapest an. Im Januar 2020 kehrte er schlussendlich nach Deutschland zurück und spielte für eine halbe Saison beim Karlsruher SC in der Zweiten Bundesliga. Sein Vertrag wurde aber auch hier im Sommer nicht verlängert. Aktuell steht Ben-Hatira beim griechischen Verein AE Larisa unter Vertrag bis Ende Saison.
Fazit
Underground of Berlin zeigt eindrücklich die Geschichten von Berliner Talenten, die ihre Anfänge alle im Käfig im Park in Berlin Wedding machten. Einige der Geschichten verlaufen besser als andere. Alles in allem aber eine sehr empfehlenswerte Doku über Fußballer, deren Karriere gerade so gut im Gefängnis hätte Enden können, wie aber auch in der Bundesliga. Die Handlung ist sehr kurzweilig und fokussiert sich für den neutralen Zuschauer nicht zu sehr auf den Fußball, sondern vielmehr auf das Leben und Aufwachsen in Berlin Wedding.
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